Heute ist bei mir Krise angesagt. Ich habe zu wenig geschlafen und bin völlig lustlos. Mir ist es überhaupt nicht darum, mit Dave rumzuwitzeln, wie wir das sonst die ganze Zeit tun. Und Bock darauf, Frauen anzusprechen habe ich auch überhaupt keinen. Alles scheint irgendwie sinnlos. Ich frage mich, was das alles für einen Zweck hat. Dauernd Frauen anlabern. Warum nur?

Ich schaffe es den ganzen Tag nicht, mich von diesen negativen Gedanken zu lösen und gehe am Abend nach dem Essen direkt ins Hostel zurück. Dave zieht alleine los.

Nach ein paar Stunden Schlaf wache ich auf und sehe, dass Dave zurück und ebenfalls gerade wach ist. Er erzählt er habe eine Erleuchtung gehabt. Er hätte für sich entschieden, dass er sich das Recht nehme, die heissesten Frauen anzusprechen, egal ob die mit Männern seien oder nicht. Und er habe eine gute Zeit, obwohl er alleine sei. Er hätte dann mit vielen Leuten geredet und hätte plötzlich das Gefühl gehabt, dass alle und alles ein Teil von ihm sei.

Wir reden lange darüber. Der Amerikaner, der bei uns im Zimmer ist, nervt sich ziemlich aber in dem Moment merke ich das gar nicht. Es scheint mir so unwichtig zu sein. Meine ganze Aufmerksamkeit liegt beim Gespräch mit Dave. Entschuldige, Amerikaner!

Manchmal ist es schon lustig, wie die Dinge zusammenspielen. Ich hatte eine Krise und ging heim. Dave war auf sich alleine gestellt und genau das ermöglichte ihm diese Erkenntnis.

Mir wird klar, warum ich den ganzen Tag so mies gelaunt war: Mein Bewusstsein war vollständig in die zweite Stufe zurückgesunken (siehe hier und hier). Ich wollte etwas erreichen. Ich wollte bessere Ergebnisse mit Frauen. Ich wollte besser sein. Ich wollte mehr. Ich wollte gut dastehen und mit all den Gedanken machte ich mir selbst Druck und hatte nicht mehr wirklich Spass an der Sache. Ich war nicht mehr locker. Das ging nicht von einem Moment auf den anderen. Es war ein schleichender Prozess, den ich nicht bemerkte. Bis heute, wo ich mich super mies fühlte.

Es gibt Leute die würden sagen, ich sei gut mit Frauen, andere würden vermutlich das Gegenteil behaupten. Das Problem ist, dass ich mir überhaupt erst überlege, ob ich nun gut oder schlecht bin. Wenn ich darüber nachdenke, dann werde ich immer einen Grund finden, warum ich noch nicht gut genug bin und mich deshalb schlecht fühlen, egal wie “supergut” ich bin. Das Problem ist, dass ich mich mit dieser Einstellung in der zweiten Stufe befinde. Hier werde ich niemals “gut genug” sein. Die Lösung ist die dritte Stufe: Vollständiges Loslassen vom Ergebnis, Geben wollen, Dankbarkeit und Vertrauen fühlen.

Ich komme nochmals zurück zu diesem „Alles ist ein Teil von mir.“

In einem Buch über Zen las ich einmal eine schöne Beschreibung dieser Einstellung. Schauen wir einmal folgende Aussage an: “Ich sehe ein Haus.”

Normalerweise denkt man sich dabei zwei getrennte Objekte: “Ich” und “das Haus.” Oder besser gesagt es gibt ein Subjekt, das irgendetwas mit dem Objekt tut.

Nun könnte man das auch anders betrachten: als ein EINZIGES Erlebnis. Das Erlebnis: Ich-sehe-das-Haus. Es ist EINE Erfahrung. Es gibt nicht mehr zwei getrennte Dinge sondern ein einziges Erlebnis.

Diese Haltung lässt sich nicht wirklich mit Worten beschreiben. Es ist mehr ein Gefühl. Ist man der Welt freundlich gesinnt, so ist auch die Welt einem freundlich gesinnt. Wenn es den anderen gut geht, dann geht es auch einem selber gut. Wenn es einem gut geht, dann geht es auch den anderen gut.

Wenn ich etwas sehe, das mir gefällt oder das mich interessiert, dann ist es nicht nur in Ordnung, dass ich hingehe und mich dafür interessiere, sondern dieses etwas ist genau deswegen da. Es ist ein Teil meiner Welt, ein Teil meiner Erfahrung. Es ist ein Teil von mir. Ich bin neugierig, es zu erforschen und zu entdecken.

Mit anderen Leuten reden ist nichts anderes als einen Teil von sich selbst entdecken und kennenlernen!

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